Das Anwesen in der Höchster Straße, Groß-Umstadt

Das Haus meiner Großeltern in der Höchster Straße in Groß-Umstadt hatte für mich als Kind schon immer etwas schaurig-schönes.

Es gab einen Durchgang unter dem Haus hindurch vom großen, sonnigen Garten zum kleinen Garten, der hinter dem Hof lag und der auch den Hühnerstall beherbergte. Von diesem Durchgang, der mir als Kind schon immer dunkel und höhlenartig vorkam, zweigte eine Holztür zu einem Gewölbekeller ab. Es hätte die Filmkulisse für ein Verlies sein können. Meines Wissens wurden dort jedoch nur Kartoffeln und vielleicht auch Kohle gelagert. Es roch derart muffig in diesen Kellern, dass mir als Kind klar war, dass es dort gruselige, dunkle Geheimnisse zu lüften galt.

Auf dieser Seite soll etwas über die Geschichte des Hauses erzählt, werden, das heute noch steht, sich jedoch nun schon seit den später 1980er Jahren nicht mehr im Besitz der Familie befindet.

 

Die früheste Information zum Haus

Die früheste Quelle, die bisher gefunden wurde und die Informationen zu dem Anwesen enthält stammt aus dem Jahr 1895. Die Skizze eines Baubescheides für Adam Georg Hillerich zeigt auch das Grundstück eines Nicolaus Müller, das dem späteren Grundstück der Familie Achtmann entspricht. Leider wissen wir bisher nicht, wann das Haus genau gebaut wurde, sondern nur, dass es 1895 bereits gestanden hat.

Die ersten bekannten Besitzer

Auf der Skizze zum Baubescheid des Martin Pfeifer (No 172 5/10) aus dem Jahr 1897. ist das Grundstück des Nicolaus Müller ebenfalls verzeichnet und mit No 169 3/10 bezeichnet. Sein Nachbar zur Linken ist Christian Adam Georg Magsamm II. Auf dem Grundstück des Nicolaus Müller steht ein Wohnhaus und ein Stall. (s. Bild)

Nicolaus Müller wurde am 1.3.1821 in Groß-Umstadt als viertes uneheliches Kind der Margaretha Wenzel geboren. Laut Angabe des Kindes heißt der Vater Johannes Müller, den die Margaretha Wenzel schließlich auch am 26.4.1826 heiratet.

Verheiratet ist Nicolaus (eigentlich Johann Nicolaus) Müller bei seinem Tod mit Katharina Barbara Bergmann, die zum Einen katholisch, zum Anderen mindestens drei uneheliche Mädchen mit in die recht späte Ehe bringt, die am 3.11.1878 in Groß-Umstadt geschlossen wird. Johann Nicolaus Müller ist am Tag dieser Eheschließung schon 57 Jahre, seine Frau ist 53 Jahre alt.

Der erste uns bekannte Besitzer des Hauses stirbt am 1.11.1897 in Groß-Umstadt, etwa 1,5 Jahre nach seiner Frau Katharina Barbara Bergmann. Anzeigender im Sterberegister ist Sebastian Geisenhof, in dessen Wohnung Nicolaus Müller verstarb..

Baubescheid 15.4.1908

Die zweiten Besitzer: Geisenhof

Nach dem Tod des Wittwers Johann Nicolaus Müller (1821 - 1897, s.o.) kommt das Gelände mit Haus und Stall in den Besitz von Sebastian Geisenhof I (1855 - 1927), der mit Elisabeth Bergmann (1862 - 1933), der dritten unehelichen Tochter der Frau des Johann Nicolaus Müller verheiratet war.

Im Starkenburger Adressbuch, S. 282 lebt "Seb. Geisenhof, Farbikarb." in der Höchsterstraße 19. 

Am 15.4.1908 wird ein Baubescheid für Sebastian Geisenhof ausgestellt. Er darf eine Einfriedung bauen. 

1923 folgt ein Wohnhauserweiterung rechts des ursprünglichen Hauses. Ein Schlafzimmer entsteht und die darunterliegenden Keller entstehen. Der Grund für die Erweiterung ist wahrscheinlich, dass die Tochter des Sebastian Geisenhof, Antonie im Jahr zuvor geheiratet und eine Familie gegründet hat. Sie ist wahrscheinlich mit Mann und kleinem Sohn von Babenhausen (Geburtsort des Sohnes Hans) zu ihren Eltern gezogen.

1924 wird dann die Einfriedung erneuert. Aus den Lagepläne ist zu entnehmen, dass für die Wohnhauserweiterung im Jahre 1923 auch Fläche auf der rechten Seite des Hauses dazugekauft wurde und somit die alte Einfriedung zur Straße hin verbreitert, bzw. erneuert werden musste.

1927 starb der Besitzer des Hauses und Grundstückes, Sebastian Geisenhof I. Es könnte sein, dass dessen Witwe noch bis zu ihrem Tod 1933 mit der Familie ihrer Tochter in dem Haus gewohnt hat.

Wohnhausvergrößerung 1923
Baugesuch des Sebastian Geisenhof Erneuerung einer Einfriedung, 1924.

Der dritte Besitzer Johann Achtmann

Spätestens jedoch nachdem die Tochter, Antonie Achtmann, geb. Geisenhof 1937 bei einem Verkehrsunfall starb, scheint sich die Situation zu ändern. Ihr Witwer, Johann Nicolaus Achtmann lebte laut Adressbuch im Jahre 1938 in der Zimmerstraße 23. Er war Bierbrauermeister in der dort ansässigen Brenner-Brauerei. Auch im Adressbuch von 1950 ist diese Adresse angegeben.

Der älteste Sohn Hans (1922- 2006) bebaute nach seiner Heimkehr aus Kriegsgefangenschaft zu Beginn der 1950er Jahre die rechte Grundstücksseite mit einem Wohnhaus. In dieser Zeit bis 1954 erfolgten auch Erweiterungen an dem alten Haus mit einem Wohnhausanbau (vermutl. Küche), Veranda und Freitreppe, was der Eintrag im Brandkataster von 1954 belegt.

Das Haus in der Höchster Straße wurde in diesem Zeitraum wohl vermietet und der inzwischen erneut verheiratete Witwer der Antonie geb. Geisenhof, Johann Nicolaus Achtmann, zog erst Anfang der 1960er Jahre wieder in das Haus in die Höchster Straße.

Nachdem Johann Nicolaus Achtmann 1978 und seine zweite Frau 1987 starben, wurde das Haus verkauft. Es steht noch heute.

Brandkatastereintrag von 1954