Sebastian Karn II (1874 - 1958)
Mein Ur-Großvater ist am 7.2.1874 in Hering geboren und verstarb in Groß-Umstadt am 25.2.1958.
Ein Schulbesuch in Hering ist durch das nachweisbar bezahlte Schulgeld für zwei Kinder im Jahr 1885 belegt. Die Schulpflicht für Kinder sah zu der Zeit Schulbesuche im Alter von 6 bis 14 Jahren vor.
Zehn Jahre später (1895) erhält er von der Gemeinde Hering Untertützungsgeld (Marschgeld) als Rekrut (Gleue S. 245). Die Zahlung von Feuereimergeld ist nicht verzeichnet.
Stattdessen verlässt Sebastian Hering und zieht nach Groß-Umstadt. Dieser Ortswechsel hängt auch mit der Berufswahl des Sebastian Karn zusammen: statt von Landwirtschaft zu leben, wird er Schmied.
Mir ist nicht bekannt, wo und wann Sebastian diesen Beruf gelernt hat. Als 14ähriger, müsste er vielleicht um 1888 seine Lehre begonnen haben.
Zu dieser Zeit war sein 1866 geborener Bruder Jakob Karn etwa 22 Jahre alt. Es ist wenig über diesen älteren Bruder bekannt. Wahrscheinlich hat er 1900 für den Heringer Kleinunternehmer Johannes Weiß VIII bei Bau der Christuskirche in Mainz als Steinhauer geholfen. Ich konnte aber keine weiteren Spuren dieses Jakob Karn in den Familienregistern oder Archiven finden. Er ist auch nicht unter den Erben, als 1905 das Erbe seiner Mutter, der Katharina Karn, geb. Weiß verteilt wird. Aber dieser ältere Bruder könnte auch ein Grund gewesen sein, warum Sebastian es vorzog, sein Glück als Schmied und nicht in der familieneigenen Landwirtschaft zu suchen.
Sebastian hat das Heringer Zuhause im heutigen "Am Burgweg 3" (früher Haus Nr. 15) spätestens um die Jahrhundertwende verlassen. Ab 1895 war er beim Militär. Am 26.12.1901 heiratet Sebastian in Groß-Umstadt die Anna Maria Spatz (1878 - 1969).
Als er seine Ehefrau zum Altar in Groß-Umstadt führt, wohnt er laut dem Eintrag im standesamtlichen Heiratsregister in Heubach, während seine Frau als Dienstmagd in Groß-Umstadt wohnt. Als Sebastians Beruf wird Schmied angegeben.
Laut Starkenburger Adressbuch von 1905 wohnt ein Sebastian Karn in der Rodensteinergasse 5. Er ist Tagelöhner. Das könnte noch die Zeit sein, bevor das Paar das neu erbaute Haus in der Höchster Straße bezog.
Wirtschaftlich scheint die Verbindung keine sehr gute Partie zu sein. Die Mutter der Anna Maria hat es im Leben nicht ganz einfach und stammt selbst aus einem Steinhauerhaushalt in Heubach. Sie ist mindestens drei Mal verheiratet (s. auch hier).
Die Kinder des Paares werden am 1.9.1902 (Maria Katharina, gest. 14.4.1938 durch Suizid) und am 17.9.1905 (Georg, gest. 9.12.1971) geboren. Ottilia Margaretha Spatz ist eine im Sterberegister der Stadt Groß-Umstadt aufgeführte Tochter, die am 11.11.1901 mit acht Monaten verstirbt. Anna Maria ist zu diesem Zeitpunkt unverheiratet und das Baby stirbt in der Wohnung "des Anzeigenden" Adam Kirchmayer. Wer der Vater des so früh verstorbenen Mädchens war und in welcher Beziehung die Anna Maria Spatz zu Adam Kirchmayer gestanden hat, ist nicht bekannt. Der entsprechenden Eintrag im Geburtsregister konnte bisher nicht gefunden werden, da das Archiv diesen Eintrag noch freigegeben hat.
Über die Tochter Maria Katharina ist bekannt, dass sie mit dem Weißbinder Martin Arnold verheiratet ("Arnolds Rot") war.
Sein jüngster Sohn Johannes ist am 1.April 1911 geboren. Er wurde (Modell-)Schreiner und blieb wie Georg in Groß-Umstadt.
1905 hat Sebastian Karn II das Haus in der Höchster Str. 46, später 41 erbaut. Der Baubescheid datiert vom 6. Juni 1905. Hilfreich war wahrscheinlich, dass am 1.3.1900 ein Teil des Erbes seiner 1892 verstorbenen Mutter, der Katharina Karn, geb. Weiß versteigert wurde. Seine Schwester ersteigerte das Elternhaus und angrenzende Flurstücke für 1200 Mark. Im März 1905 wurden das restlich Erbe seiner Mutter geregelt und Sebastian verkauft einige der geerbten Grundstücke an seine Schwester Eva und deren Ehemann Johann Konrad Kessler für 500 Mark. Wahrscheinlich wurde jede Mark für den Neubau gebraucht.
Außer diesem Erbe müssen er und seine Frau sich ihr Leben aus eigener Kraft aufbauen. Dazu arbeitet Sebastian zunächst als Schmied in einer Zuckerfabrik, eine Tätigkeit, die ihm aber schließlich den linken Arm kostet. Mir liegen keine genaueren Information zu diesem Unfall vor, der ihm zum Invaliden macht. Der Zeitraum lässt sich sicherlich nach 1905 als Sebastian sein Haus gebaut hat und spätestens 1931, das Jahr in dem die Zuckerfabrik zum letzten in Groß-Umstadt Zucker produziert hat, eingrenzen. Auch ist nichts über die Schwere der Verletzung bekannt. Auf einem Bild ist zu erkennen, dass zumindest die Hand fehlt und nach Familienerinnerungen war der Ellbogen wohl noch vorhanden.
Die Zuckerfabrik gibt ihm am wenigstens eine Anstellung als Nachtwächter (das ehemalige Fabrikgelände in Groß-Umstadt wurde ab 1931 bis nach dem Krieg als Sammelstelle für Zuckerrüben genutzt). Diese Tätigkeit ist im Adressbuch von 1938 schon dokumentiert, was auch belegt, dass der Unfall vor 1938 passiert sein muss. 1950 wird er im Adressbuch als Invalide geführt.
Eine weitere Erzählung aus der Familie, erhellt etwas von seinem Charakter und die Art, wie er mit seiner Einschränkung umgegangen ist. Als seine Enkeltochter mit ihrem Mann in den 1950er Jahren ein eigenes Haus errichtet hat, hat er sich nicht aufhalten lassen, den Beiden tatkräftig zu helfen. Zu dieser Zeit wurden Steine z.T. selbst gegossen, wobei Opa Sebastian die schwere Masse einarmig angerührt und per Eimer durch das Kellerfenster angereicht haben soll.
Sebastian Karn II stirbt am 25.2.1958. Seine Frau folgt ihm 11 Jahre später, am 20.4.1969. Er bleibt bis zu seinem Tod in dem von ihm errichteten Haus in der Höchster Straße 41, bzw. 46.